Thursday, June 13, 2013

Rock am Ring.

Wer wollte da noch nie hin?
Es war mein allergrößter Kindheitstraum, schon in der 6. Klasse saß ich vorm Fernseher und hab eifrig das Spektakel auf der Hauptbühne beobachtet. Die Menschenmassen waren einfach unbegreiflich und die Bands waren die allergeilsten, die man sich überhaupt vorstellen konnten. Party pur.
Mein Kindheitstraum hat sich letzte Woche auch endlich verwirklicht, allerdings bin ich mehr als enttäuscht. Zuallererst sei gesagt, dass es unter anderem auch an der Gruppe lag, die super war, aber nicht so gut harmonisiert hat, aber trotzdem haben die Umstände an allen Ecken genervt. Fangen wir mal an...

Die Hinfahrt war super, trotz Stau und Hitze, der Nürburgring ist leicht zu finden und die Umgebung ist wunderschön! Man fühlt sich wie in einem süßen bayerischen Dorf mitten im Gebirge. Allerdings begann der Ärger dann gleich bei der Parkplatzsuche. Wir kamen Donnerstag Nachmittag an und es herrschte Stau am Nürburgring. Gut, 87 000 Menschen wollen in ein kleines Dorf reisen, da gibt es natürlich Stau. Aber dass an einem zweispurigen Kreisel mitten auf der Fahrbahn ein Ordner steht, der JEDEM Autofahrer die Route zu Parkplatz XY erklärt und den gesamten Verkehr stundenlang aufhält, ist fragwürdig. Genauso, wie wirklich keiner von den Ordnern Ahnung hat, wo die Zelt- und Parkplätze überhaupt sind. Jeder behauptet etwas anderes, wenn er denn mal Ahnung vorgibt. Da uns ein Zeltplatz freigehalten wurde, aber alle Parkplätze am Ring belegt waren, mussten wir also am Straßenrand schnell die Sachen rauswerfen, damit wir die Klamotten nicht kilometerweit schleppen müssen. Der Ordner schnauzte rum, da dort für Rettungswägen Platz sein sollte, was auch verständlich ist. Es ist aber nicht verständlich, dass man dann 6 Kilometer vom Dorf entfernt parken muss, weil alles belegt ist... es wäre vielleicht sinnvoll, dass nur Leute mit Ticket im Dorf parken dürfen, damit die ganzen "Rock-am-Ring-ist-Kult-ich-besuch-den-Zeltplatz-zum-Saufen"-Leute nicht unnötig Parkplätze versperren.

Auf dem Zeltplatz war das dann aber auch wieder halbwegs vergessen, da es eine unglaublich krasse Aussicht gab. Der Zeltplatz war auf einem Berg und man konnte Wälder und Täler sehen vor einer sommerlichen blauen Himmelskulisse. Richtig geil. Allerdings war das Campen an sich eher beschissen, weil die Zelte schräg stehen und man sehr sehr ungemütlich schläft, wenn man im 30°-45° Winkel liegt. Na ja, auch noch verkraftbar. Die Toiletten allerdings nicht. Die feststehenden kosten 50 Cent, was ja normal ist. Für das Geld hätte ich dann jedoch gerne wenigstens Damenabfallbehälter in den Kabinen und mehr als zwei Klopapierrollen, die völlig verranzt auf dreckigen Rohren stehen, weil es keine Abroller gibt! Ziemliches Eigentor. Überraschenderweise waren die Dixi-Klos jedoch nicht so eklig, wie man sie sonst kennt. Ein paar mehr hätten jedoch auch nicht geschadet, da man bei beiden Toilettenstellen mindestens 10 Minuten einplanen musste. Bei den Wasserstellen konnte man gut und gerne auch mal 15 Minuten warten. Auch noch verkraftbar.

Auf den Zeltplätzen findet man sich sehr schnell ein, was Orientierung angeht, was jedoch ziemlich stört, ist, dass jede Gruppe unter sich ist. Man bekam zwar Hilfe von den Nachbarn und alle waren sehr nett, aber trotzdem gab es kein Ganzes, sondern eher viele Grüppchen, die sich abschotten, was sehr schade war und auch nicht der Sinn eines Festivals sein sollte. Man sollte vielleicht nicht von ein paar Dutzend auf ein paar Tausende schließen, aber es fiel doch ganz schön auf und wirkte auch auf anderen Zeltplätzen so oder so ähnlich... mal davon abgesehen, dass die meisten Menschen dort ziemlich unsympathisch sind. Viele kommen einfach nur zum Saufen und asozial sein (asozial ist wohl jeder in irgendeiner Hinsicht auf Festivals und das ist gut so, aber normalerweise sind die Menschen dabei wenigstens lustig und nicht einfach nur wirklich gewollt pekig bis zum geht nicht mehr) oder es sind irgendwelche Pussies vor Ort, die sich Smokey Eyes schminken und schöne Frisuren aufwendig flechten, damit auch alles zuckersüß zum Outfit passt. Es fehlt einfach der gemeinsame Gedanke der Musik in den Leuten, was man bei dem Line-up auch nicht erwarten kann.

Am Anfang war das Line-up richtig geil. Zu 70% geile und auch bekannte Bands, die zum größten Teil auch etwas mit Rock zu tun oder zumindest Randverbindungen zu Poprock/Metal hatten. Natürlich mag man nicht jede Band und das erwartet auch keiner, aber zumindest dem Genre zugeordnet oder ähnlich sollten sie schon sein. Geh ich auf ein Metalfestival, will ich Metal hören. Eine handvoll Hardcore oder Hardrockbands stört aber auch nicht. Geh ich auf ein Popfestival, will ich Pop hören. Ein bisschen Rock oder Alternative geht aber auch klar. Geh ich auf ein Technofestival, will ich Techno hören. Spielen dort aber zwei Dubstep- und zwei Goabands, stört das aber wohl auch kaum jemanden.
Ergo: Geh ich zu ROCK am Ring, will ich ROCK hören. Sowas wie Fritz Kalkbrenner hat mich schon von Anfang an angekotzt im Line-up, aber war neben Amon Amarth, Papa Roach, Bullet For My Valentine, Fettes Brot und Bring Me The Horizon, um ein paar Beispiele zu nennen, nichtig, und der Kerl ist ja relativ bekannt. Dass es aber zum Schluss eine komplette STAGE gibt, die nur Techno/Dubstep/Goa/Elektro und all so einen komischen elektronischen Kram spielt, ist einfach nur armselig. Vor allem, weil der Großteil unbekannt oder nur szenetechnisch ein bisschen bekannt ist. Rock steht für Instrumente, das oberste Gebot im Rock, und nicht für bekloppte Futzies, die zwei CDs einlegen, "Play" drücken, die Arme wedeln und dann an zwei Schaltern rumdrehen. Die Bühne war fast immer leer, teilweise standen ungelogen nur drei Leute davor und besonders am Freitag war's schlimm. Gerade da strömen ja viele Leute auf das Festivalgelände, um alles mal abzuchecken, wenn aber nur auf zwei Bühnen was gutes spielt, ist die Besuchermasse umso höher. Es war wirklich schrecklich, man hat sich teilweise wie auf der Loveparade gefühlt und das auch weit außerhalb der Bühnen. Entweder mehr guter Rock, um die Leute anzulocken und aufzuteilen, oder weniger Tickets verkaufen. Für die ganzen elektronischen Pussybands hätte man sicherlich drei geile Headliner kaufen können oder zumindest mehrere kleinere Newcomer unterstützen können. Es gibt genügend gute kleine Rock- oder Alternativebands in Deutschland, die für wenig Geld auftreten würden und die ClubStage in eine RockStage verwandeln würden.

Aber wenigstens die Center- und Alternastage konnten sich halbwegs sehen lassen, auch wenn ich mich immer noch frage, wieso Cro Rock sein soll. Ich find Cro in Ordnung, aber er hat absolut nichts zu suchen auf dem Rock am Ring und wenn, dann auf der kleinsten Stage. Genauso die ganzen HipHop-Bands am Sonntag auf der Alternastage. Ich mag HipHop, ist aber von Rock so weit entfernt, wie Thüringer Blasmusik von schwedischem Heavy Metal. Aber nein, hauptsache man holt sich gehypete Idioten, wie A$AP Rocky, damit auch der letzte Yoloswagger in seinem Dreiecksshirt eine Nerdbrille auf die Bühne werfen kann. Auch Samstag war die Alternastage am Nachmittag fast schon unbegehbar.
Freitag war die Alternastage super und das hat man leider auch gemerkt. Da fun. kein Rock, sondern langweiligster Pop-Schnulzgesang ist, sind natürlich alle zur Alternastage zu A Day To Remember geströmt und es herrschte fast schon Massenpanik im Getümmel; minutenlang hat sich einfach gar nichts mehr bewegt vor lauter Menschen. Furchtbar.

Na ja, man hat's überlebt. Erstaunlicherweise ist auch das Getümmel vor der Center Stage ganz okay, auch wenn dort wirklich Massen sind, die man noch nie so gesehen hat. Aber es ist halb so schlimm, wie es im Fernseher aussieht und man kommt locker easy relativ weit nach vorne, ohne sich drängeln zu müssen. Jedoch hat man im ersten Drittel hinten so gut wie gar keinen Blick auf die Bühne. Die Bühne ist viel zu niedrig (ich bin zwar nicht die größte, hab aber Durchschnittsgröße und darauf sollte es vielleicht auch ein bisschen ausgelegt sein) und bei einigen Bands konnte ich nicht mal auf Zehenspitzen die kleinen Männchen auf der Bühne sehen. Mit etwas Glück erhascht man einen Blick zwischen die Köpfe, aber im Großen und Ganzen zahlt man 170 Euro fürs Leinwand gucken, wenn man nicht 2 Stunden vor Einlass am Eingang stehen und dann zu den Stages rennen und dort zehn Stunden ausharren will, wo auch noch ziemlich dreist in den Pausen immer wieder die gleiche Werbung abgespielt wird.
Aber ansonsten ein Lob an die Bühnentechnik, die Shows an sich sind richtig gut gemacht, sieht wirklich großartig aus und die Headliner haben alle ein "Privatkonzert" nachts gegeben, was auch sehr schön anzugucken und anzuhören war, definitiv. Allerdings kommt selbst hier im ersten Drittel hinten kaum Stimmung bei den Besuchern auf, was sehr schade war und somit auch ein Angucken im TV zuhause gemütlich mit einer Cola, die 10 Cent und nicht 5 Euro kostet, genauso spannend und schön gestaltet. Public Viewing mag ganz cool sein, wenn man aber weiß, dass dort gerade eine Hammerband spielt und man nicht mal die Bühne sieht und die Leute nur blöd auf die Leinwand starren und nicht mal applaudieren für die grandiosen Leistungen, ist das eher deprimierend. Aber hier liegt der Fehler ganz klar bei den Besuchern, die ich ja schon mal kritisiert habe. Gibt natürlich auch einige, die tanzen und Spaß haben oder sich wenigstens ein bisschen bewegen oder headbangen, aber das ist eine kleine Minderheit.

Positiv aufgefallen hingegen sind jedoch die Ordner zwischen erster Reihe und Bühne, die kostenlos Wasser und teilweise auch ihr Essen verteilt haben und Leute, die nicht mehr konnten, sofort rausgeholt haben. Respekt an diejenigen. Außerdem waren die feststehenden Toiletten auf dem Gelände kostenlos und relativ sauber und man hat nicht allzu lange gewartet (auch wenn die Security-Klotürsteher teilweise ein bisschen unnötig sind und vielleicht auch mal hier Damenhygieneeimer aufstellen sollten!). Des Weiteren ist es super, dass man Tetrapacks und Essen mitreinnehmen darf, die Kontrollen am Eingang sehr schnell gehen, die Shuttlebusse ZUM Gelände schnell kommen (bei denen die WEG fahren, kann man gut und gerne 20 Minuten zur Rush Hour warten, dazu gleich mehr) und das Gelände allgemein auch nicht zu ranzig ist, da die Hartplastikbecher fast alle abgegeben werden und sonst nur Tetrapacks rumliegen, die aber nicht stören. Den Typen, der plötzlich einfach auf den Boden pisste mitten in der Crowd, werde ich trotzdem nicht verdrängen können.

Alles in allem ist es stark abhängig, mit wem man hinfährt, aber auch, wo man landet und was für Nachbarschaft sich so im Umkreis befindet. Wer auch alleine in der Crowd gut Party machen kann, wird sicherlich seinen Spaß haben. Aber alles in allem verpasst man nichts großartiges, wenn man Rock am Ring nie erlebt hat. Im Fernsehen ist es genauso schön, wenn nicht sogar schöner und man kann alles genauso gut sehen und sich für 5 Euro eine Palette Bier kaufen und heimisch mit all seinen Freunden ohne Extrakosten gut Party machen und Musik hören :) Wenn man sich aber das Getümmel ganz vorne vor den Bühnen stundenlang antun möchte, empfehle ich Rock am Ring auf jeden Fall.
Wenn das Line-up besser wird und sich eine große Kerlsgruppe zusammenfindet, würde ich vielleicht in ein paar Jahren noch mal hinfahren, aber einiges muss sich am Festival selbst echt ändern.


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